Wie können wir unsere aufgewühlte Seele beruhigen, wenn wir wieder einmal unruhig, gestresst oder gar verzweifelt sind?
Kennst du das auch? Jemand hat deinen wunden Punkt getroffen, deinen roten «Auslöser»-Knopf gedrückt. Warst du eben noch zufrieden mit dir und dem Leben, bist du plötzlich wütend, aufgewühlt, frustriert, gereizt. Deine Seele meldet sich zu Wort. Etwas ist passiert und du fühlst dich ungerecht behandelt, nicht verstanden, abgelehnt, kritisiert. Ärger steigt auf, Frustration! Geht es dir auch manchmal so?
Im Coaching höre ich oft solche Geschichten und ich kenne das aus meinem eigenen Leben nur zu gut. In verschiedenen Beziehungen oder Beziehungsphasen passiert das immer wieder. Jemand macht eine Bemerkung oder reagiert ganz anders, als man es sich vorgestellt hat. Und dann passiert es. Der andere hat gezielt deinen roten Knopf gefunden und drückt jetzt unbewusst darauf. Und emotional schiebt er dich sozusagen auf eine emotionale Achterbahn oder Rutschbahn. Und wenn wir auf der Rutschbahn sind, gibt es nur eine Richtung: nach unten! Wie können wir aussteigen, wenn wir uns wieder einmal wütend, ohnmächtig oder gereizt fühlen? Wie können wir anders damit umgehen, wenn wir uns ungerecht behandelt fühlen? Oder wenn wir uns selbst in Frage stellen und uns vorwerfen, dass wir wieder in den alten Trott verfallen sind und so reagieren, wie wir es eigentlich nie mehr wollten?
Menschen, die sich in dieser Falle befinden, überfordern sich selbst und geben anderen oft zu viel, in der Hoffnung, etwas zurückzubekommen. Sie sind öfter lieb, nett, angepasst, als ihnen lieb ist. Sie fühlen sich dafür verantwortlich, in Beziehungen Harmonie herzustellen oder Frieden zu bewahren. Sie sind immer friedfertig und höflich. Der Psychologe Schulz von Thun nennt das etwas provokativ «friedfertig». Sie glauben, andere schonen zu müssen und halten ihre wahren Gefühle (wie Ärger, Angst etc.), ihre eigenen Bedürfnisse und abweichenden Meinungen zurück. So erkaufen sie sich Gunst und vermeiden, dass ihr Gegenüber wütend wird oder sich abwendet. Insgeheim hoffen sie, dass sie eines Tages auch so behandelt werden. Geschieht dies nicht, fühlen sie sich zurückgewiesen und betrogen. Das ist der Krucks des «es allen recht machen wollen» oder des «people pleasing».
Klaus wird bei der kleinsten Meinungsverschiedenheit schnell wütend und schlägt verbal um sich, obwohl er weiss, dass dies für die Beziehung zu seiner Freundin nicht hilfreich ist und zu mehr Distanz statt Nähe führt.
Verena zieht sich im Freundeskreis zurück und geht Konflikten aus dem Weg, obwohl sie ahnt, dass es dadurch nicht besser wird. Harmonie in der Beziehung geht ihr über alles.
Maria will es allen recht machen, ankommen und geliebt werden. Dabei vernachlässigt sie sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse, bis sie sich völlig verliert und depressiv wird.
Wenn andere auf unsere Knöpfe drücken, fühlen wir uns oft hilflos oder ausgeliefert, klein, machtlos oder ohnmächtig. Wir fühlen uns als Opfer der Umstände oder der Menschen. Diese Ohnmacht führt zu Wutreaktionen oder wir ziehen uns zurück und wenden uns ohne Klärung oder Erklärung von anderen ab.
Die meisten sind überzeugt, dass der andere an ihren Gefühlen schuld ist! Es ginge uns viel besser, wenn sich das ganze äussere Umfeld ändern würde: Wenn die anderen sich endlich anders verhalten würden, wenn der Chef endlich verständnisvoller oder die Freundin rücksichtsvoller wäre, wenn die Eltern uns nach all den Jahren endlich wieder respektvoller behandeln würden, wenn die Arbeitskollegen nicht mehr so eine Nervensäge wären. Ja, das Leben wäre einfacher! Die vorschnelle Diagnose lautet: Die Umstände und die anderen sind schuld, dass es mir jetzt schlecht geht.
Das Problem lässt sich vermeintlich schnell lösen, indem wir die Umstände ändern. Wir wechseln den Job, die Freundin, den Partner, die Gemeinde. Aber reicht das? Meistens stellen wir dann fest, dass die gleichen belastenden Gefühle, die Ohnmacht, die Wut trotzdem immer wieder auftauchen, auch am neuen Ort, auch mit anderen Menschen.
Die Antwort, die auf der Hand liegt, aber allzu gerne übersehen wird, liegt eigentlich auf der Hand: Es hat auch etwas mit dir zu tun. Schon der griechische Philosoph Epiktet sagte: «Es sind nie die Menschen oder die Umstände, die uns beunruhigen, sondern immer nur die Bedeutung, die wir ihnen geben». Wir müssen uns also auch an die eigene Nase fassen und nach innen schauen. Denn wenn in verschiedenen Situationen, mit verschiedenen Menschen immer wieder das gleiche negative Gefühl in uns ausgelöst wird, dann hat das offensichtlich auch etwas mit uns zu tun. Denn wir selbst sind die einzige Konstante in diesen unterschiedlichen Settings. Es ist schmerzhaft, das zu erkennen. Aber nur wenn wir an unseren eigenen Überzeugungen und Verhaltensmustern arbeiten und uns von innen heraus verändern und heilen, können wir anders handeln. Dann haben andere nicht mehr so viel Macht über uns und unsere «Knöpfe».
König David ist für mich zum Vorbild geworden, wie er in schwierigen Situationen mit sich und seinen «Knöpfen» umgegangen ist. David war einer der mächtigsten Männer seiner Zeit. Aber auch er kannte das Phänomen, dass seine Seele in bestimmten Situationen aufgewühlt, ängstlich und unruhig war. David hatte es in seiner Kindheit nicht leicht. Als Jüngster erfuhr er Ablehnung und Kritik von seinen älteren Brüdern. Auch sein Vater schien ihn nicht besonders zu unterstützen. Als der Prophet Samuel die Familie besuchte, wurde David einfach vergessen. Der Vater hielt es nicht für nötig, ihn dabei zu haben, obwohl der mächtigste Mann des Landes zu Besuch kam. Wie muss sich David gefühlt haben? Ich kann mir vorstellen, dass er sich nicht gefragt, nicht erwünscht, nicht gemeint gefühlt haben muss.
Später am Königshof wurde Saul immer eifersüchtiger auf David. Es begann ein einziger Spiessrutenlauf, bei dem David jahrelang vor dem König fliehen musste, weil dieser ihn töten wollte, obwohl er überhaupt nichts verbrochen hatte.
In seinen Geschichten und Psalmen gewährt uns David einen interessanten Einblick in sein Seelenleben. Immer wieder berichtet er, wie es in seinem Inneren stürmte. In einer ausweglosen Situation lesen wir in 1. Sam. 30,6: «David aber stärkte sich in dem Herrn, seinem Gott.» Diese Formulierung fasziniert mich: Er stärkte sich selbst! Er hatte gelernt, in schweren Zeiten direkt zu seiner Seele zu sprechen, sich in Gott zu bergen und seine Seele zu beruhigen und zu trösten wie eine Mutter ihr Kind. (Ps.131) Das wirkt.
Wie gehst du mit dir und deiner Seele um, wenn sie wieder einmal aufgewühlt ist? Wie redest du dann mit dir und deiner Seele? Wie würdest du zum Beispiel ein weinendes Kind trösten? Vielleicht würdest du ihm sagen: «Ich verstehe, dass du dich jetzt traurig fühlst, das ist auch nicht leicht. Aber ich bin für dich da. Gemeinsam schaffen wir das!» Liebevoll tröstend nimmst du das Kind dann vielleicht in den Arm, bis es sich wieder beruhigt hat.
Könntest du nicht auch so mit deiner eigenen Seele umgehen und liebevoll, tröstend und ermutigend mit dieser traurigen (oder wütenden, verletzten, ohnmächtigen) Seite sprechen? Was würde es bewirken, wenn du wie David mit deiner Seele so umgehen würdest? Ihr zuzusprechen, dass auch Gott dich nie im Stich lässt, dass er bei dir ist, dich kennt, liebt und sich um dich kümmert. Einen Versuch wäre es wert, oder?
Klaus, Verena und Maria haben in der Beratung auch erkannt, dass die Knöpfe, die andere drücken, auch mit ihren eigenen alten Themen aus der Vergangenheit zu tun haben. Oft, wenn wir in Situationen emotional stark reagieren, hat das mit wunden Stellen zu tun, die andere wieder berühren. In der Reflexion dieser wunden Stellen haben Klaus, Verena und Maria gelernt, ihre Knöpfe zu entschärfen, die eigene Seele zu beruhigen und schneller aus der emotionalen Achterbahn auszusteigen.
Christoph Hickert ist Dipl. Coach & Supervisor BSO und psychologischer Berater in eigener Beratungs-Praxis in Männedorf am schönen Zürichsee.
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